Palme in Kuba

Tag 11: Kokosnüsse und ein gebrochenes Herz

Datum: 21.10.2018 | Ort: Trinidad & Playa Larga

Viazul Ticket in Trinidad kaufen

Wir stehen zeitig auf und packen unser Hab und Gut zusammen. Ich frühstücke die Reste meiner Pizza vom Vortag und bin selig. Dann brechen wir auf, um unser Busticket für den Nachmittag zu kaufen. Die Berichte, dass die Busse häufig ausgebucht sind, haben wir jedes Mal vor den Fahrten im Hinterkopf, auch wenn wir bisher andere Erfahrungen gemacht haben. Vermutlich ist in der Hauptsaison ab November einfach deutlich mehr los.

Am Gang treffen wir Faith. Sie wartet auf ihr Taxi Collectivo nach Havanna und sitzt etwas auf glühenden Kohlen. Sie bittet uns, uns nach den Bussen nach Havanna zu erkundigen, falls ihr Fahrer nicht auftaucht.

Am Busbahnhof von Trinidad müssen wir zunächst über ein Stahlseil. Der Typ der auf das Stahlseil aufpasst und somit der Hüter des Busbahnhofes ist, will und patu ein Taxi Collectivo andrehen, als wir über das Seil steigen.

Der Ticketkauf funktioniert wie bisher immer reibungslos. Wir werden auf eine Liste gesetzt, zahlen, bekommen eine Quittung und sollen eine halbe Stunde vor Abfahrt da sein.
Wir gehen zurück in die Casa. Faith ist inzwischen weg, ihr Fahrer ist also anscheinend aufgetaucht. Wir machen unser Zimmer frei. Die Taschen packen wir in den Gemeinschaftsbereich der Unterkunft. Unsere Gastgeber haben nichts dagegen, dass wir noch einige Zeit im Garten sitzen bleiben bevor wir aufbrechen. Also machen wir es uns noch ein bisschen in der Sonne gemütlich. Ein leichter Wind fährt durch die Blätter der Bäume und ein paar Hühner laufen gackernd herum und quetschen sich durch ein Gitter in der Mauer zum Nachbargrundstück.

Kokosnüsse sind gefährlich

Auf einmal gibt es einen lauten Knall. Es ist eine Kokosnuss die mit einem lauten ‚PLOK‘ aus vier Metern Höhe auf den Betonboden knallt. Der Baum ist für eine Kokospalme noch nicht einmal sonderlich hoch. Doch den Knall nach zu schließen wäre ein Treffer absolut schädelspaltend. Funfact am Rande: Jährlich sterben mehr Leute durch herabfallende Kokosnüsse als durch Haie. An der Kokospalme hängt eine Hängematte, daneben steht eine kleine Sitzgruppe. Einen Stuhl davon hat die Kokosnuss nur um Zentimeter verfehlt. Ich mache mit eine geistige Notiz mich zukünftig von Kokospalmen fernzuhalten.

Gegen Mittag meldet sich der Hunger und das Reisefieber und uns hält nichts mehr in der Unterkunft. Wir werden herzlich von unseren Gastgebern verabschiedet und machen uns schwer bepackt auf in Richtung Stadt. Am Lokal mit der furchtbaren Pizza machen wir Halt. Max bestellt sich wieder den Burger vom letzten Mal, ich bestelle ein Omelett. Als Nachspeise bestelle ich einen Kaffee. Zusammen mit einem großen Wasser bezahlen wir insgesamt 10 CUC.

Jetzt ist es allerdings immer noch viel zu früh um zum Bus zu gehen. Also legen wir einen weiteren Stop in einer Kneipe ein die wir am Rande des Plaza Major ausfindig machen. Sie ist wirklich hübsch. Der vordere Teil ist nicht überdacht und nur mit einem beschattenden Netz überspannt. Sie ist grün gestrichen. An den Wänden hängen tropische Pflanzen. Auf der Karte gibt es viele Cocktails zu relativ günstigen Preisen in Anbetracht ihrer zentralen Lage und das Wasser kostet nicht mehr als im Laden. Über einer Bar im hinteren Bereich läuft gerade das Fußballspiel Stuttgart Dortmund. Die Kommentatoren auf spanisch sind total aus dem Häusschen. Das Spiel wird in die Geschichte des Deutschen Fußballs eingehen, so viel verstehe ich. Den Endstand bekomme ich allerdings nicht mit.

Abzocke bei Viazul – die Masche mit dem Gepäck

Wir gehen zum Busbahnhof. Der Typ der den Bus belädt schickt Max in einen kleinen Seitenraum. Dort werden ihm jeweils 1 CUC für die Gepäckmarken abkassiert. Unsere Taschen kommen auf einen kleinen Metallwagen zusammen mit den Taschen unserer Mitreisenden und stehen dann in der Gegend herum. Ich bin von der offensichtlichen Abzocke ziemlich angepisst. Ich weiß, dass uns das noch oft passieren wird, ich weiß, dass man das akzeptieren muss, aber ich rege mich trotzdem auf. Max nimmt das ganze gelassener.

Wir stellen uns raus um das Gepäck im Auge zu behalten, bis es verladen wird. Irgendwann kommt ein ziemlich schäbig aussehender Viazulbus. Der Fahrer, der aussieht und angezogen ist, wie der Pilot einer Airline steigt aus und öffnet das Gepäckfach. Unsere Taschen werden einsortiert. Der Typ der den Bus belädt prüft zwar jede einzelne Gepäckmarke nach Ziel, wie mir scheint, schmeißt die Koffer dann jedoch trotzdem wild durcheinander in den Gepäckraum. Einige Reisende, die ihre Taschen selbst einräumen wollen, werden unfreundlich abgekanzelt und ebenfalls in den Seitenraum geschickt, um dort ihr Gepäckmarke zu kaufen. Die genervten Gesichter der Reisenden, die einer nach dem anderen herauskommen, sprechen Bände.

Die Fahrt von Trinidad nach Playa Larga mit Viazul

Der Bus fährt pünktlich ab. Er ist nicht voll und so ignorieren wir beim Einsteigen unsere Platznummer komplett und machen es uns einfach irgendwo gemütlich. Die Sitze und Sitzreihen sind eh nicht beschriftet. Die Hoffnung, dass diese Fahrt angenehmer wird als die letzte, stirbt schnell. Die Klimaanlage im Bus ist nicht an und so heizt er sich bald unerträglich auf. Man nimmt Kontakt zu den anderen Reisen auf indem man sich gegenseitig mitleidig beim Luftzufächern ansieht. Nach einiger Zeit setze ich mich in die freie Reihe hinter Max, damit wir wenigstens nicht noch beide in der Körperwärme des anderen sitzen. Ich lehne mich ans Fenster und nehme die Füße hoch, da mein Kreislauf langsam schlapp macht. Mir wird schlecht. Ich zähle die Minuten herunter bis wir endlich ankommen. Fast vier Stunden soll die Fahrt insgesamt dauern. Nach knapp zwei Stunden hat der Fahrer endlich ein Einsehen und macht die Klimaanlage an. Mir ist die restliche Fahrt trotzdem übel und schwindelig.

Die Fahrt ist allerdings weniger ruckelig als die letzte. Nur 11 Stockwerke zählt meine Smartwatch diesmal. Wir ruckeln vorbei an lichten Wäldern, die an Deutschland erinnern, wenn man die Palmen ignoriert. Wir sehen Sümpfe voller Seerosen, große Zuckerrohrfelder, kleine Dörfer und große Ferienanlagen. Wir fahren durch Cienfuego und Playa Giron. Cienfuego sieht auch heute hübsch aus, aber ein bisschen langweilig. Playa Giron wirkt beim Durchfahren auf mich etwas trostlos und verloren. Von weitem sehen wir die großen Wellenbrechen, die den Blick vom Ufer aufs Meer verschandeln.

Unsere Casa Particular in Playa Larga

Wir kommen in Playa Larga an einer unscheinbaren überdachten Bushaltestelle an. Fahrplanaushänge, Toilette oder Kartenschalter – Fehlanzeige. Ein Herr stürmt gleich motiviert auf uns zu, ob wir bereits ein Zimmer haben. Wir verneinen wahrheitsgemäß, wohl bewusst, dass er uns gleich eines andrehen möchte. Man kann es ja mal ansehen. Er stellt uns eine kleine ältere Dame mit resolutem Auftreten und fröhlichem Gesicht vor. Das ist Vivian. Vivian hat ein Zimmer. Allerdings spricht sie kein Englisch.

Wir folgen Vivian ein paar Straßen. Der Ort scheint nicht groß zu sein. Viele Leute grüßen Vivian im Vorbeigehen. Wir nehmen das als gutes Zeichen. Vor einem kleinen unscheinbaren Häuschen bleiben wir stehen. Auf der Veranda stehen zwei Schaukelstühle und ein hölzerner Aschenbecher. Ansonsten ist das Haus von außen schmucklos.
Vivian sperrt eine Seitentür auf. Der Raum dahinter ist klein und finster. Etwas skeptisch gehen wir hinein. Vivian schaltet das Licht an und schaut uns schüchtern an. Der Raum hat ungefähr 12 Quadratmeter. Darin stehen zwei Betten mit je 1,20m Breite. Viel Fußboden bleibt da nicht übrig. Außer eine kleine Hängegardarobe ist der Raum dann auch leer. Einzige Ausnahme sind die gelben Vorhänge, die sich ganz fürchterlich mit der ockerfarbenen Wand beißen, ein Ventilator und zwei Klimaanlagen. Die eine ist ein alter Kasten der schlaflose Nächte verspricht, die andere sieht extrem modern und hübsch aus. Sie hat sogar einen Aufkleber mit der Energieeffizienzklasse. Sie hat ein B.

Hinter einer Plastikschiebetür versteckt sich ein kleines grünes Badezimmer.
Es gibt in dem Raum eigentlich sehr viele Fenster. Allerdings haben sie keine Scheiben und sind stattdessen mit einer Art Metallrollos verschlossen. Daher ist es stock finster.

Das Zimmer soll 15 CUC pro Nacht kosten. Für unsere Reisekasse ist das ein Wohltat und Vivian ist putzig. Wir sagen also zu und Vivian ist sichtlich erfreut.

Wir haben noch ein paar Fragen bezüglich Ausflügen und Organisation. Ich versuche es mit meiner Google Translator App. Vivian starrt kurz auf mein Handydisplay, nickt und flitzt davon. Sie diskutiert mit einer Gruppe Nachbarinnen und bringt uns eine mit. Sie spreche ein paar Worte Englisch, erklärt die Frau. Dann rattert sie in einem Affenzahn alle Ausflugsmöglichkeiten der Gegend herunter. Zwischenfragen werden mit einem ungeduldigen Kopfschütteln beantwortet und es geht weiter im Text. Komplett überfordert versuchen wir die Informationsflut zu verarbeiten. Kolibri, Parks, Schnorcheln und Cocodrei, soviel kommt bei mir an. Es dauert ein paar Minuten bis ich Cocodrei aus dem Kontext als Krokodil ableiten kann.

Der Strand von Playa Larga

Nachdem wir uns etwas häuslich eingerichtet haben, beschließen wir eine Runde spazieren zu gehen und auch gleich Wasser zu organisieren. Im Licht der Dämmerung sieht der Strand von Playa Larga relativ grau aus. Es gibt nur wenig reine Sandfläche, so wie am Playa Mayor in Varadero. Stattdessen gibt es immer wieder große Bereiche mit Riffgestein und direkt hinter der Wasserlinie beginnen bereis die Bäume. Zwischen den Bäumen ist jedoch auch Sand und in der prallen Mittagshitze von Kuba lässt es sich so sicherlich gut aushalten. Leider liegt am Strand ziemlich viel Müll herum. Wir sehen auch im ganzen Ort nur an einem einzigen Platz Mülleimer. Das ist wirklich sehr schade.

Wir kommen zu einem kleinen Supermarkt. Leider hat er bereits geschlossen und wir müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Der süßeste Straßenhund auf Kuba

Nur wenige Meter weiter entdeckt Max einen kleinen Hund. Wie er so ist, pfeift er ihn heran.
Das kleine Tieren spitzt die Ohren und kommt mit leicht geduckter unterwürfiger Haltung freudig auf uns zugewackelt. Es dauert genau drei Sekunden bis das Tierchen seinen Kopf zwischen unseren Händen hat und sich genüsslich kraulen lasst. Ich habe noch niemals in meinem Leben einen so menschenbezogen Straßenhund erlebt. Die Kleine ist ein Weibchen, noch relativ jung, hatte aber vermutlich bereits selbst mindestens einmal Welpen. Sie hat glattes, glänzendes braunes Fell und ist kaum kniehoch. Insgesamt ist sie sehr sehr mager. Ihre Statur erinnert ein bisschen an ein Windspiel. Sie wirkt fast ein bisschen wie ein kleines Reh. Ich bin hin und weg.

Wir gehen weiter und unsere neue Freundin folgt uns in wenigen Metern Abstand, als wäre sie schon seit Jahren ein Familienmitglied.

Wir gehen in ein Restaurant. Die Kleine sitzt nervös vor der Tür, würde uns wahnsinnig gerne begleiten, traut sich aber nicht herein. Irgendwann kommt der Hund des Restaurantbesitzers und verbellt sie. Sie tut mir leid, aber ich hab mir selbst versprochen nicht jeden Straßenhund ins Herz zu schließen.

Wir sitzen oben auf der Dachterrasse des Restaurants. Ich bestelle Gemüsereis, Max irgendetwas mit Hähnchen. Wir plaudern ein bisschen mit der Kellnerin, die Englisch spricht, über den Ort. Nachdem sie gegangen ist, um unsere Bestellung an die Küche zu melden dauert es eine Minute, da fängt Max an einen Kleinkrieg mit den Mücken hier am Dach zu beginnen. Die Mücken gewinnen. Wir geben nach und ziehen in den unteren Gastraum um. Das Personal schaut uns erst alarmiert an, nickt dann jedoch wissend, als ich ein summendes Geräusch mach und mich in den Arm pikse. Das Essen ist gut, mit Gemüsereis kann man mich allerdings nur noch schwer begeistern.

Ich packe die Hähnchenknochen von Max ein. Daran hängen noch Reste und Knorpel. Daheim würde ich meinem Hund keine Hühneknochen geben, allerdings gehe ich davon aus, dass die Hunde hier noch deutlich Schlimmeres gewohnt sind. Außerdem ist kubanisches Essen deutlich weniger gewürzt als deutsches. Ist es optimal? – Nein. Habe ich in Kuba schon Hundefutter zu kaufen gesehen? – Nein!

Wir gehen aus dem Lokal und hinter einem Gebüsch unweit des Lokals kommt ein zierliches Hündchen hervor gekrochen und wedelt unterwürfig auf uns zu. Wir gehen ein paar Meter, weg von den größeren Hunden die hier herumstrommern.
Als ich die Hühnerknochen auspacke werden die großen Augen in dem kleinen Gesicht noch ein gutes Stück größer. Die kleine Hündin macht ein gluxendes Freudengeräusch und stürzt sich so hektisch auf das Essen, dass sie sich erst einmal verschluckt. Sie hüstelt leicht, dann verputzt sie den Rest. Ich gebe ihr den zweiten Knochen. Sie frisst, wir gehen langsam weiter. Nach wenigen Schritten höre ich hinter mir ein Jaulen. Der kleine Hund kommt in geduckter Haltung auf uns zugerannt. Wo sie gerade noch stand frisst nun ein deutlich größerer Hund.

Der kleine Hund folgt uns bis zu unserer Unterkunft. Max geht duschen, ich bleibe vor der Tür sitzen und kraule die Kleine. Vivian unsere Gastgeberin kommt aus dem Haus, setzt sich neben mir in einen Schaukelstuhl und schaut mir versonnen zu.
Der kleine Hund legt sich vor mich und döst auf meinen Beinen ein.

Nach ungefähr einer Stunde stehe ich dann doch auf. Ich bin müde und beginne zu frösteln. Mit in die Unterkunft will ich den Hund nicht nehmen, das wäre dann doch zu viel des Guten und ich weiß nicht ob sie stubenrein ist, ganz abgesehen davon das Vivian sicher nicht begeistert wäre. Daher bleibt die Kleine draußen und schaut mir traurig nach, wie ich im Haus verschwinde. Ich lasse sie nur ungerne zurück.

Ich gehe duschen, als sich die Strapazen der letzten Tage oder auch ein Virus langsam melden. Ich friere bis in die Knochen und zitter. Ich fühle mich komplett erschöpft. Max deckt mich fest mit allen Decken die wir haben zu und versucht mich aufzumuntern. Die Geräusche der Nachbarschaft, ein Fernsehr und Hundegebell halten mich lange wach. Im Gedanken bin ich bei Hundi, die alleine irgendwo draußen ist und Angst vor den anderen Hunden hat.
Irgendwann schlafe ich dann doch erschöpft und traumlos ein.

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